Kultur muss sein!

So dies ist eine Sammlung von kulturellen Prosatexten, Gedichten, Volksliedern und überaus schlauen Zitaten von noch schlaueren geistig herausragenden Persönlichkeiten rund um das Thema Bahn. Alles wurde natürlich mit viel Liebe von mir zusammengetragen um euch ein wenig intellektuell zu stimulieren. Also bildet euch .....

Der Bummelzug
Eugen Roth

Ein Mensch, wie aus dem Ei gepellt -
Man sieht sofort, ein Mann von Welt -,
Steht nun, seit fünf Minuten schon,
Auf einer kleinen Station,
Und denkt, voll Zorn bis in die Nas`:
"Ha! Nur in Bayern gibt´s so was!"
Jetzt endlich steckt, auf sein Geklopf,
Der Mann zum Schalter raus den Kopf.
"´s pressiert net!" sagt er zu dem Herrn.
"Der Zug? Nach sechse kommt er gern."
Un rät ihm, menschlich, voll Vertrauen,
Derweil die Gegend anzuschauen.
Der Mensch, zur Wut selbst zu verdutzt,
Hat unversehns den Rat genutzt,
Und sieht, als wär´s zum erstenmal,
Im Abendglühen Berg und Tal;
Er sagt, vergessend seine Eile,
Zum schönen Augenblick: "Verweile!"
Und schaut sogar der braven Kuh
Voll Andacht bei Verschiednem zu...
Von fern Geschnauf und Ratter-Ton -
Der Mensch denkt ganz verzaubert: "Schon?"
Und nimmt kaum wahr, geschweige übel,
Die Trödelei der Millikübel,
Ein letzter Blick - ein Pfiff - und munter
Geht´s weiter, wald- und nachthinunter.
Der Mensch, gezwungen so zum Feiern,
Träumt oft noch von dem Tag in Bayern.

Unterwegs an die Front
Jochen Missfeldt

Im August `14 war Gustav unterwegs an die Front. Er saß im Zug auf einer Holzbank im Vierte-Klasse-Abteil, fuhr über Neumünster, Hamburg, Osnabrück weiter nach Düren. Güterwagen rollten aus der anderen Richtung vorbei, unrasierte Feinde schauten aus den Türen, niedergeschlagen. Es war heiß. Mittags gegen zwölf lief Gustavs Zug in Düren ein. Gustav stieg mit Gepäck und Gewehr aus, suchte Schatten, fand ihn an der Dürener Bahnhofswand, lehnte sich an, las Düren und Kathreiner. Hier auf seinem Gepäck hockend neben seinem Gewehr, notierte er mit verbundener Hand ein Gefühl der Leere in seinen Taschenkalender.

Kam diese Leere, die er bei seiner Ankunft in Düren verspürte, von der Lokomotive, die ihn schneller zog, als er laufen konnte. Kam sie von den Niedergeschlagenen im Gefangenentransport, die noch zusätzlich von der Augusthitze niedergeschlagen waren. Kam sie von den Bäumen, von den schnittreifen Kornfeldern, von den Bahndammblumen unterwegs. Kam sie von den immerzu gleichen Bewegungen der im Abteil sitzenden Soldaten. Oder kam sie vom Sonnenaufgang, den er mit üblem Geschmack im Mund mehr schlecht als recht gesehen hatte. Oder von der gläsern wässrigen Luft überm Wald kurz vor Osnabrück, noch Halbnachtluft , also von der halb schwarz durchsichtigen Luft überm Wald und dem vorgeschickten Licht. Warum die Sonne so rot ist, wenn sie aufgeht, warum sie größer und roter ist, wenn sie untergeht. Warum das Licht sich dann rot über die Halbnachtluft, über die wässrige, fasrige Nachtluft, also schon dünne Morgenluft ergießt. Ein Blatt Zeichenpapier aus Gustavs Block: Gustav gab einen Spritzer Wasser drauf, tropfte aus der Pinselspitze zwei rote Tropfen, die dann verliefen, rosenfingrig verliefen, und das Rot wurde blasser und weniger und weniger. Vielleicht wurde hier auch gar nicht gemalt. Vielleicht war sein Leben nur so eine Art Verdünnung, also nur noch knapp hinreichend, Gustav selber ohne Augen. Nichts hatte er gesehen, nicht den Huflattich, nicht die Hungerblumen am Bahndamm, nicht die Sumpfdotterblumen im Graben; keine Goldammer, nicht das erzgegossene Eidechsenmännchen auf dem warmen Schotter. Roter Mohn, leuchtend, blaue Glockenblumen, um die Wette blühende Reseden, pures Leinkraut-Gold; da ein Würger, ein Neuntöter; Erdbienen und Sandwespen am Bahndamm entlang, ein Schwalbenschwanz über den Schienen: Nichts von alledem hatte Gustav gesehen.

Möglicherweise eine Leere aus Langeweile, die er notierte, wozu die per Eisenbahn hergestellte Einheit Deutschlands ihren Beitrag geleistet hatte. Kein Paß, kein Koffer-Vorzeigen, jeder ein Deutscher, einheitliche Maße und Gewichte, Handel und Wandel. Möglicherweise auch ein als Leere kaschiertes Grauen vor dem unerhörten und ungeheuren technischen Wunderwerk, das da als Eisenbahn dahindonnerte.

Betrachten Sie den Bahnhof als Durchgangsstätte auf dem Wege zur Pflicht, Männer, das hatte der Leutnant zu Gustav und seinen Kameraden gesagt, kurz vor dem Einsteigen in Flensburg, wo das Wunderwerk Eisenbahn zum Ausmarsch fertig angetreten stand. Die Lok ganz weit vorn unter Dampf. Sauhaufen hatte der Leutnant noch gestern gebrüllt, bei den letzten Maschier-Manövern auf dem Kasernenhof. Aber hier am Bahnhof hatte er nur viele Grüße vom Kaiser bestellt, und die Alten und Jungen, Männer und Frauen, die sich am Bahnsteig drängten, lauter Deutsche, schrieen Hurra. Nur Anne schrie nicht. Sie stand stumm und starr, mit glatt zurückgekämmten Haaren, Knoten im Nacken, Arme unter der Kleiderschürze, Augen im Kopfsteinpflaster, im Gepäck, im Trinkwasserbrunnen. Gustav hatte seinen Arm um Annes Schultern gelegt, sah Prellböcke, Werkstatt und Weichenstellergebäude. Noch fünf Minuten bis zur Abfahrt. Jede Minute dauerte drei. Alles, was Gustav hätte sagen müssen, sagte er nicht. Nur Anne sagte was, Kuck mal Tauben. Die flatterten und pilgerten um die Schnörkel am Gesims, pickten an nackten, verrußten Sandsteinmännern, die auf ihren gebeugten Nacken nutzlose Balkone trugen. Darunter der Leutnant, dessen Miene Zutrauen und Hoffnung in das Bahnwesen ausstrahlte. [...]

Vierte Kompanie, Zug besetzen, hatte der Leutnant durch die Hurra-Tüte befohlen, dass Anne sich an die Ohren fasste. Bewegung im Haufen, Uniformröcke straff ziehen, Lederkoppel anfassen. Die Eisenbeschläge der Knobelbecher erklingen, der Trinkwasserbrunne plätschert, die Bahnhofstauben picken, keiner sieht und hört was. Anne hatte die Hände von den Ohren genommen. Pass auf die Kinder auf, hatte Gustav mit einem Kloß im Hals gesagt. Die Kompanie in Zehnerpackungen ab in Richtung vierte Klasse, Gustav als letzter. Komm uns heil wieder, so Anne unterm Taschentuch mit gepresster Stimme.-Um zwölf hatte die Lokomotive weißen Dampf abgelassen. Der Lokführer im Lokführerfenster, Blick auf den Bahnsteig. Der Heizer in der Kohle. Wasserstandanzeiger, Manometer, Ventilräder saubergeputzt. Die Lokräder, ein Schrei von irgendwem, schnell hintereinander Erdbebenstöße in der Lok, ein Anfall. Abfahrt nach Düren.

Wer schlägt Gustavs Kopf gegen die Schienen. Wo ist der Sprechchor, der zu neunstimmigen Schluchzen und Jammern anhebt und das Schluchzen und Jammern um dei Welt gehen lässt. Nichts kann zu Ende erzählt werden. Alles ist nur immer Anfang. Zu Ende erzählen hieße, nie mehr erzählen zu müssen. Anne war nach Hause gegangen.-Ob dieser schreckliche Anfang diese Abfahrt gewesen war, weswegen Gustav in Düren das Gefühl der Leere notierte, wer weiß. Die Ereignisse waren an ihm entlang gehetzt, er konnte nicht folgen, hatte nicht die nötige Zeit, auch nicht das nötige Wissen, was ihm aber auch nichts genützt hätte. Gustav das Schaf, das brav folgte. Gustav das Schaf, das nun in Düren saß.

Im Zuge
Oskar Loerke

Den Blick entleert, im Gang, am Fenster lehnen
Die Menschen, leis vom Sommertag beschlichen,
Und wenn sie mit der Hand die Stirne streichen,
Ists ihrem Tag für immer abgestrichen.

Die Eisengleise, die den Berg bekriechen,
Sie messen Zeit, sind blitzendes Geleite
Des Berges in sein Alter, uns sein Tunnel
Führt nicht nur durchs Gefels zur anderen Seite.

Und auf ihm alle Bäume werden älter,
Wie sie ums Licht noch miteinander hadern,
Und alle Blätter, alle werden älter
Und in den Blättern alle grünen Ader.

In letzter Minute
Karl Cordt

Unser Bahnhof Hamburg-Dammtor liegt 3 Minuten Fahrzeit vom Hamburger Hauptbahnhof entfernt. Täglich berühren etwa 150 Züge unseren Bahnhof. Sechs Gepäckträger sind in einer Dienstschicht anwesend. [...]

Unsere Hauptarbeit: das Besorgen des Handgepäcks in die Züge. Nur ein bis zwei Minuten halten die Züge bei uns. Durch Verspätungen schrumpft diese Zeit oft auf Sekunden zusammen. "Alles einsteigen! - Tür zu! Abfahren!" Was sich in dieser kurzen Zeit dann manchmal zwischen dem aufgeregten Reisenden und seinem Gepäckträger abspielt, lässt es begreiflich erscheinen, dass man nach Beendigung des Dienstes mit den Nerven fertig ist. Deutlich zeigt dies folgende Geschichte, die mir selbst passierte:

Es war im Juli, zu Anfang der großen Schulferien. Wir hatten in der Gepäckabfertigung alle Hände voll zu tun, da übernahm ich von dem Kameraden, der den Dienst vor der Tür versah, drei Handkoffer. Die dabei aufgegebene Bestellung lautete: "7:45 Uhr nach München, Wagen 8, Platz 49". Mein Kollege erwähnte dann noch kurz, der Herr habe den kleinsten Handkoffer nur zögernd abgegeben mit der Erklärung, es befänden sich in der Tasche wichtige Dokumente, er fahre in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt zu einem Termin. Die Uhr zeigt 7:30 Uhr; ich konnte also meinen Kameraden, der mit dem Aufladen des aufgegebenen Gepäckes beschäftigt war, noch etwas unterstützen.

Gegen 7:40 Uhr begab ich mich mit dem Gepäck auf den Bahnsteig, und da der Zug erst 7:52 Uhr einlaufen sollte, war also reichlich Zeit, meinen Reisenden zu suchen und ihn nicht durch unnötiges Warten unruhig zu machen. Da vom gleichen Bahnsteig in 5 Minuten Abstand zwei weitere D-Züge nach Köln und Leipzig abgingen, war der Bahnsteig voll von Reisenden und Gepäckstücken. Nichtsdestoweniger fand ich aber meinen Reisenden ziemlich schnell. Es war ein großer, schlanker Herr, Mitte der Fünfzig. Äußerst nervös schoss er auf mich los und empfing mich mit der gereizten Bemerkung, ob er denn "stundenlang" auf mich warten sollte. Meine Erfahrungen geboten mir, gar keine Antwort darauf zu geben. Ich setzte das Gepäck neben dem Herrn ab. Ein Blick auf die Bahnhofsuhr: 7:44 Uhr. Also noch 8 Minuten bis zur Ankunft des Zuges. Da mein Kamerad mich ja auf die Wichtigkeit des kleinen Handkoffers aufmerksam gemacht hatte, behielt ich diesen in der Hand. Der Reisende versuchte auch gleich, mir den Koffer abzunehmen, was ich aber, da er noch Stock und Zeitungen in den Händen hatte, mit der Bemerkung ablehnte: "Lassen Sie nur, ich bleibe ja bei Ihnen."

Wir standen ganz vorn, denn laut des auf dem Bahnsteig angebrachten Zugbildungsplans war Wagen 8 der erste hinter der Maschine. "7:53 Uhr." Gerade hatte mein Herr, der immer nervöser wurde, zum soundsovielten Male seine Taschenuhr mit der Bahnhofsuhr verglichen, da läuft der Zug in die Halle. Jetzt kam Leben in die Masse, und mitten darin stand ich mit meinen drei Koffern. Die Maschine und der Packwagen fuhren vorbei, jetzt kam der erste Personenwagen. Ich sah sofort, dass er keine Nummer hatte, also ein Verstärkungswagen war. Der nächste ebenfalls, aber dann kam Wagen 8. Ich strebte mit meinem Gepäck der Wagentür zu; ein Blick vorher zur Seite hatte mich überzeugt, dass der Reisende noch neben mir war. In das Stoßen und Schieben vor der Wagentür die laute, mahnende Stimme des Mannes mit der roten Mütze: "Einsteigen!" Vor mir fiel einer über seinen eigenen Koffer, den er erst in die Tür geschoben hatte. Endlich war ich im Wagen, und ich war noch nicht in unserem Abteil, da fuhr der Zug an. Ein Blick nach hinten: mein Reisender war nicht da. Jetzt war ich im Abteil. Die beiden Koffer legte ich ins Netz, den Handkoffer, der für den Reisenden so außerordentlich wichtig war, behielt ich bei mir, und nun ging ich auf die Suche. Da ich annahm, der Reisende hätte sich in den ersten Wagen begeben, den er in seiner Unkenntnis für Wagen 8 halten musste, begab ich mich nach vorn. Erfolglos; in den ersten beiden Wagen war er nicht. Also andere Richtung. Ich durchsuchte sämtliche Wagen mit dem gleichen Ergebnis: Mein Reisender war nicht im Zug.

Jetzt wurde auch ich begreiflicherweise aufgeregt, wusste ich doch, wie wichtig die Reise für den Herrn war. Andererseits konnte ich mir sein Ausbleiben absolut nicht erklären, hatte ich ihn doch beim Einlaufen des Zuges noch neben mir gesehen. Nun lief der Zug im Hamburger Hauptbahnhof ein. Ich überlegte einen Augenblick. Es gab für mich zwei Wege: Entweder ich nahm das Gepäck wieder heraus und fuhr mit der Stadtbahn nach unserem Bahnhof zurück oder ich wartete bis zur abermaligen Abfahrt des Zuges, vielleicht fand sich der Reisende bis dahin noch ein. Gestützt auf alte Erfahrungen, beschloss ich, das letztere zu tun; der erste Weg blieb mir immer noch offen. 8:05 Uhr sollte der Zug weiterfahren, die Uhr war 8:02 Uhr. Ich stand beim Schaffner des Zuges draußen auf dem Bahnsteig, das Gepäck wieder unterm Arm, und erzählte mein Missgeschick. Da, mit einem Male packte mich eine Faust beim Kragen, die Griffe eines Stockes und eines Schirmes fuchtelten in bedrohlicher Nähe meines Gesichtes und eine Flut von Schimpfworten, die einem zoologischen Wörterbuch entstammten, entlud sich über mich. Ich sah in das vor Wut blaurote Gesicht meines Reisenden. Meine Koffer waren mir bei diesem unverhofften Angriff entfallen, ich selbst fiel darüber, aber den kleinen Handkoffer hatte ich immer noch krampfhaft in der Hand. Trotz dieser wenig beneidenswerten Lage war mein erster Gedanke: Gott sei Dank, er ist noch rechtzeitig gekommen. Der Aufsichtsbeamte war inzwischen herbeigeeilt, richtete mich auf, und letztendlich gelang es mir, zu Wort zu kommen. Erst unterbrach der Reisende mich noch immer laut und bedachte mich mit allerlei "Kosenamen". Dann aber horchte er doch auf, und in aller Ruhe konnte ich ihm auseinandersetzen, dass ich keine Schuld an diesem Zwischenfall trug. Er war, wie ich richtig vermutet hatte, in den ersten Wagen eingestiegen, hatte auf Platz 49 auf mich gewartet, aus dem Fenster nach seinem Gepäckträger geschrien und war beim Anfahren des Zuges abgesprungen in der Meinung, ich sei zurückgeblieben. Meine Kameraden hatten ihm dann aber versichert, dass ich im Zuge sei, und mit fürchterlichen Drohungen auf mich hatte er sich in eine Autodroschke geworfen und war mir nachgefahren.

In 4 Minuten hatte sich diese Tragikkomödie auf dem Bahnsteig abgespielt. Wir schieden als gute Freunde. Er drückte mir ein Trinkgeld in die Hand, entschuldigte sich immer wieder und nickte mir aus dem abfahrenden Zug noch freundlich zu. Er hatte nach seiner Meinung mir ein gutes Trinkgeld gegeben. Ich aber wusste es besser. Durch diesen Zwischenfall hatte ich die beiden nachfahrenden D-Züge nicht bedienen können, was für mich also ein Verdienstausfall war.

Der Schluss dieser Komödie spielte sich dann weiter auf unserem Bahnhof ab. Man ist der augenblickliche Mittelpunkt bei den Kameraden. Alle machen mit verständnisvollen Blicken ihre Randbemerkungen: "Du warst doch sicher inne erste Runde k.o." "Wi hebbt di immer seggt, lihr een Handwark" usw. Es ist aber nicht bös gemeint. Alle wissen aus dem reichen Schatz ihrer Erfahrungen, dass morgen sie vielleicht der Mittelpunkt sind, bis . . . übermorgen ein dritter oder gar ich selbst wieder "am dransten" bin.

Auf de schwäb`sche Eisebahne
1. Auf de schwäb`sche Eisebahne
gibt`s gar viele Haltstatione,
Schtuegart, Ulm und Biberach,
Meckebeure, Durlesbach!
Rulla, rulla, rullala,
rulla, rulla, rullala,
Schtuegart, Ulm und Biberach,
Meckebeure, Durlesbach.

2. Auf de schwäb`sche Eisebahne
gibt es viel Restauratione,
wo ma esse, trinke ka,
alles, was der Mage ma. Rulla....

3. Auf de schwäb`sche Eisebahne
braucht ma keine Postillione.
Was uns sonst das Posthorn blies,
pfeifet jetzt die Lokomotiv. Rulla....

4. Auf de schwäb`sche Eisebahne
könne Kuh und Ochse fahre,
d` Studente fahre erste Klass`,
sie mache das halt nur zum Spaß. Rulla..

5. Auf de schwäb`sche Eisebahne
wollt amal a Bäurle fahre,
geht an Schalter, lüpft de Hut:
"Oi Billettle, seid so gut!" Rulla......

6. Eine Geiß hat er sich kaufet,
und daß sie ihm nit entlaufet,
bindet sie die guete Ma
hinte an de Wage a. Rulla.......

7. "Böckli, tu nuer woidle springe,
`s Futter werd i dir scho bringe."
Setzt si zu seim Weible na
und brennt`s Tabakspfeifle a.Rulla...

8. Auf de nächste Statione,
wo er will sei Böckle hole,
find`t er nur on Kopf und Soil
an dem hintre Wagetoil. Rulla...

9. Do kriegt er en großen Zorne,
nimmt de Kopf mitsamt de Horne,
schmeißt en, was er schmeiße ka,
dem Konduktör an Schädel na: Rulla...

10. "So, du kannst de Schade zahle,
warum bist d`so schnell gefahre!
Du alloin bis schuld dara,
daß i d`Goiß verlaure ha!" Rulla....

11. So, jetzt wär das Lied gesunge,
`s hätt`euch wohl in d`Ohre geklunge.
Wer `s no nit begreife ka,
fangs no mal von vorne a! Rulla

"Ein Mensch, der sonst zwar das Vergnügen recht gern genießt in vollen Zügen, legt grad beim Reisen, umgekehrt, auf volle Züge wenig wert."

Der letzte Eisenbahner
unbekannt

Sparsam und rentabel sein,
das ist heut die Parole.
Schließt Bahnhöfe, legt Strecken still,
spart Wasser, Strom und Kohle.

400.000 waren wir einst,
die Hälfte musste schon weichen,
und eines Tages werden wir
den Nullpunkt dann erreichen

Willst du einen Eisenbahner sehen?
Dann musst du ins Museum gehen!

In einer stillen Ecke stockt des Besuchers Fuß,
als Schenkung der Regierung,
erhebt die Hand zum Gruß,
der letzte "Eisenbahner" in reinem Spiritus.

Da steht er nun mit seinem Glas
und nichts tut ihm mehr weh,
dies alles sind die Folgen
der Deutschen Bahn AG.

"Das deutsche Schicksal: vor einem Schalter zu stehen. Das deutsche Ideal: Hinter einem Schalter zu sitzen."
Kurt Tucholsky

by Simone Hanika